5. Schadensarten/
und -umfang
a) Immaterieller
Anspruch (Schmerzensgeld)
Das Schmerzensgeld
dient dazu, dem Geschädigten das Leben trotz der erlittenen Verletzungen und
Schmerzen wieder etwas angenehmer zu gestalten. Es hat sowohl eine Genugtuungs-
als auch eine Ausgleichsfunktion. Die Schmerzen des Geschädigten oder in Ausnahmefällen
seiner Angehörigen erhalten daher einen gesonderten Ersatzanspruch. Im Gesetz
wurde dieses im Paragraphen 847 BGB ausdrücklich niedergelegt. Dort heißt es:
„Schmerzensgeld:
Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung
kann der Verletzte wegen des Schadens...eine billige Entschädigung in Geld verlangen.“
Bei der Bemessung
der Höhe des Schmerzensgeldes sind alle Umstände des jeweiligen Falles zu berücksichtigen,
so dass völlig identische Konstellationen nicht existieren. Der oftmals von
Patienten seinem Rechtsanwalt vorgetragene Vorhalt, ein Bekannter habe für den
gleichen Schaden einen bestimmten Schadensersatzbetrag erhalten, daher müsse
der eigene Schmerzensgeldbetrag ebenso hoch sein, ist insofern nicht ganz stichhaltig.
Immerhin hat sich in der Rechtsprechung die Heranziehung ähnlicher Fallkonstellationen
(Präzedenzfälle) bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe in der Praxis herausgebildet.
Entscheidende Bedeutung kommt hier den sogenannten Schmerzensgeldtabellen zu.
Eine Sammlung mit über 2.400 Urteilen und neuesten Entscheidungen findet sich
in der vom ADAC - Verlag veröffentlichten sogenannten Hack’schen Tabelle „Schmerzensgeld-Beträge“,
Hacks, Ring, Böhm, die das Handwerkszeug jedes Rechtsanwaltes auf dem Gebiet
des Personenschadens darstellt.
Bei der Bemessung
der Höhe des Schmerzensgeldbetrages spielen im Einzelfall folgende Erwägungen
eine mitentscheidende Rolle:
- Alter des Geschädigten
- Mitverschulden
- Verringerung
der Heiratsaussichten
- Berufsunfähigkeit
bzw. die Minderung der Erwerbsfähigkeit
- Wirtschaftliche
Verhältnisse (von Schädiger und Geschädigtem)
- Eigenarten in
der Person des Geschädigten
- Regulierungsverzögerung
des Schädigers oder seiner Versicherung
- u.v.a.m.
So kann es z.B.
einen großen Unterschied ausmachen, ob ein Rechts- oder Linkshänder, ein Fußballspieler
oder ein Pianist eine Handverletzung erleidet.
Eine Besonderheit
besteht hinsichtlich der Schmerzensgeldansprüche bei Verstorbenen: Einerseits
können die Angehörigen einen eigenen Anspruch haben, wenn sie „leidensbedingt
selbst über das gewöhnliche Maß hinaus erkranken“. So kann das Miterleben des
Schadenfalles aus nächster Nähe oder die Mitteilung vom Tode naher Verwandter
oder gar der eigenen Kinder eine Gesundheitsschädigung in Form eines Schocks
und nachfolgender psychischer und physischer Folgen hervorrufen. Zum anderen
kann der Schmerzensgeldanspruch aber auch ererbt werden.:
Bis zum 01.07.1990
fand insofern häufig ein entwürdigender Wettlauf mit dem Tode statt, denn das
damalige Gesetz sah vor, dass ein Schmerzensgeldanspruch nur bei vertraglicher
Anerkennung oder Rechtshängigkeit (durch Erhebung einer Klage) vererblich sei.
Beides war zeitlich aber kaum zu schaffen, weil der Verletzte oftmals verstarb,
noch ehe hierfür die notwendigen rechtlichen Schritte eingeleitet werden konnten.
In solchen Fällen gingen die Erben dann leer aus. Heutzutage sind neben nahen
Angehörigen auch Neffen und Nichten, Enkel oder sonstige Erben Nutznießer der
Gesetzesänderung und können die Ansprüche des Verstorbenen geltend machen. Schwierigkeiten
bereitet allerdings deren Höhe bei sehr kurzer Überlebenszeit nach der Schädigung.
Es gilt die Grundregel, je länger die Leidenszeit bis zum Tode, umso höher ist
das Schmerzensgeld.
Schließlich ist
darauf hinzuweisen, daß die Gerichte anstatt oder neben einem Kapitalbetrag
auch eine monatlich zu zahlende Schmerzensgeldrente zubilligen können.Nachfolgend
haben wir weitere von deutschen Gerichten zugesprochene Schmerzensgelbeträge
zusammenfassend aufgeführt:
Zu
der Schmerzensgeldtabelle:
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b) Materieller
Anspruch
Neben dem Schmerzensgeldanspruch
steht dem Geschädigten auch der sog. materielle Schadensersatzanspruch zu. Hierunter
fallen:
aa) Erwerbsschaden
Zu ersetzen ist
der Verlust von Erwerbseinkommen jeglicher Art und von Vermögensvorteilen, die
im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft stehen, sowie alle finanziellen
Nachteile, die durch den Ausfall der Arbeitskraft verursacht werden.
Dazu gehören der
Arbeitslohn oder das Gehalt, einschließlich Urlaubsentgelt, Sonderzuwendungen,
Überstundenvergütung, Treueprämie, Erschwerniszulagen, Sachbezüge etc., Arbeitslosengeld
und -hilfe, Nebeneinkünfte, Gewinn eines Selbständigen, Gewinnbeteiligung eines
Gesellschafters, Ausbildungsvergütung, versicherungsrechtliche Nachteile (z.B.
Prämienerhöhungen), Rentenminderung (nur ausnahmsweise) etc.
Wie hoch der Erwerbsschaden
ist, muss der Geschädigte beweisen. Er braucht allerdings nicht beweisen, dass
und in welcher Höhe Einkünfte ohne das Schadenereignis mit Gewißheit erzielt
worden wären, sondern es genügt der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit.
Das zuständige Gericht muss die Höhe des Schadens in freier Überzeugung schätzen.
Beispielsfall (stark
vereinfacht): Der 50jährige Geschädigte hat vor dem Vorfall monatlich 5.000,-
DM monatlich verdient. Nach dem Vorfall ist ihm aufgrund seiner gesundheitlichen
Beschwerden keine Arbeitstätigkeit mehr möglich. Er erhält kein Geld mehr. Er
kann als Schadenersatzanspruch nunmehr monatlich 5.000,- DM beanspruchen. Berücksichtigt
man eine fiktive Arbeitstätigkeit bis zum Ende des 65. Lebensjahres, so könnte
der Geschädigte beanspruchen: 5.000,- DM x 12 Monate x 15 Jahre = 900.000,-
DM (unberücksichtigt geblieben sind in diesem Fall Zuwendungen wie Lohnfortzahlung,
Krankengeld, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe etc., die abgezogen werden müßten,
aber auch die gewöhnlichen Lohnsteigerungen, die hinzuzurechnen wären).
Der Geschädigte
hat aber auch eine sogenannte Schadensminderungspflicht, d.h. wenn er in seinem
alten Beruf nicht mehr arbeiten kann, muss er seine ihm verbliebene Arbeitskraft,
beispielsweise durch Teilzeitarbeit oder an einem schonenderen Arbeitsplatz
anbieten. Gegebenenfalls muß er sich sogar umschulen lassen und hierfür mitunter
sogar seinen Heimatort verlassen. Grundsätzlich hat der Schädiger für alle vermögensrechtlich
relevanten Nachteile einzutreten, die infolge einer Verzögerung der Berufsausbildung
entstehen. Zu ersetzen sind daher die entgangene Ausbildungsvergütung für den
Zeitraum der Verzögerung und das entgangene Gehalt für den Zeitraum der unfallbedingten
Verzögerung des Berufseintritts. Aber auch die zukünftige Kürzung der Altersrente,
soweit keine Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden oder erstattet werden.
Berücksichtigung finden auch Eingangsverschlechterungen im Beruf und der mögliche
Verlust eines Stipendiums. Kann der Geschädigte infolge einer bleibenden Behinderung
nicht den Beruf ausüben, der ohne den Vorfall wahrscheinlich ergriffen worden
wäre, ist das entgangene Einkommen oder ein etwaiger Minderverdienst zu ersetzen.
bb) Haushaltshilfekosten
Die Führung des
Haushaltes einschließlich der Betreuung und der Erziehung der Kinder bildet
eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung der Arbeitskraft. Wird eine haushaltsführende
Person in ihrer Gesundheit beeinträchtigt, steht ihr ein eigener Schadensersatzanspruch
zu. In der Praxis wird die Geltendmachung (übrigens auch von vielen Rechtsanwälten)
dieser Ansprüche oft aus Unkenntnis oder Sorglosigkeit vergessen, was hohe finanzielle
Einbußen mit sich bringt. Denn es ist nicht erforderlich, dass der Geschädigte
eine Haushaltshilfekraft einstellt und die hierfür benötigten Kosten dem Schädiger
in Rechnung stellt, sondern er kann auch die fiktiven Kosten für eine Hilfskraft
ansetzen.
Die Höhe der Schadenbeträge
richtet sich dann nach dem Nettolohn einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft.
In der Praxis wird die Höhe des Schadens entweder pauschal geschätzt oder es
werden die Grundsätze von „Schulz-Borck/Hofmann: Schadensersatz bei Ausfall
von Hausfrauen und Müttern im Haushalt“ angewandt. Zur Klarstellung: Selbstverständlich
kommen auch dem Ehegatten analog diese Grundsätze zugute, wenn er vor dem Vorfall
im Haushalt mitgeholfen hatte (beispielsweise durch Einkaufen, Kochen, Gartenpflege
tc.) und dieses seither aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen
nicht mehr oder nicht mehr im bisherigen Umfange kann.
Die Berechnungsgrundsätze
lauten wie folgt:
- Objektiv erforderlicher
wöchentlicher Zeitaufwand für den Umfang der tatsächlich erbrachten Haushaltsführung/Kinderbetreuung/Gartenpflege
- multipliziert
mit dem Prozentsatz der konkreten Behinderung
- multipliziert
mit dem Netto-Stundenlohn einer erforderlichen Hilfskraft (BAT X oder Zugehfrau)
- abzüglich Rente
eines Sozialversicherungsträgers von dem Teil des Schadensersatzes, der sich
auf den Ausfall in der Haushaltsführung für die Familienangehörigen bezieht
(Aufteilung nach Kopfzahl)
- multipliziert
mit der Haftungsquote.
Grundsätzlich wird
Schadensersatz wegen Beeinträchtigung der Haushaltsführung in Rentenform geleistet,
es bietet sich in der Praxis aber das Aushandeln - einer gerichtlich nicht zu
erzwingenden - Kapitalabfindung an. Ausgangspunkt dafür ist die statistische
Lebenserwartung entsprechend der gültigen Sterbetafeln, so daß beispielsweise
der 50jährige Geschädigte, der monatlich einen Anspruch auf 1.500,- DM hat,
auf eine Kapitalabfindung in Höhe von 1.500,- DM x 12 Monate x 25 Jahre (angenommene
statistische Lebenserwartung) = 450.000,- DM hoffen kann; außer acht gelassen
sind insoweit die üblichen Lohnsteigerungen, die zu einem Zuschlag führen und
die Verzinsung, die einen Abschlag bedingt.
Zu berücksichtigen
ist ferner, dass dem unverletzten Ehepartner und Kindern eine Mithilfepflicht
im Haushalt trifft, so dass die angesetzten fiktiven Haushaltshilfestunden dementsprechend
weiter zu kürzen sind. Bei hohen zu erwartenden fiktiven Haushaltshilfekosten
bietet sich in der Praxis mitunter die Einholung eines Sachverständigengutachtens
eines Experten auf dem Gebiet der Haushaltshilfe an, damit nicht unnötig überhöhte
oder zu niedrige Ansprüche angemeldet werden.
cc) Pflegekosten
Entscheidend ist,
wie die Pflege konkret gestaltet wird. Bei einer Unterbringung in einem Pflegeheim
sind die dort anfallenden Kosten zu übernehmen, wobei Leistungen der Pflegekasse
anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind.Bei
Einstellung von professionellen Pflegekräften sind deren Kosten zu erstatten.
Erfolgt die Pflege innerhalb der Familie kostenlos ist dieser zusätzlicher Aufwand
der Familienangehörigen angemessen auszugleichen.
dd) Sonstige
„Vermehrte Bedürfnisse“
Alle Aufwendungen
die durch den Schadenfall eingetreten sind und ständig wiederkehren, können
ebenso als Schadenspositionen geltend gemacht werden. Als Beispiele seien genannt:
- Automatik und
sonstige zusätzliche Einrichtungen für ein Kfz
- Kosten für Behindertenwerkstatt
- Diät
- Elektronische
Schreibhilfe
- Höhere Heizkosten
- Körperpflegemittel
- Privatunterricht
für Schüler
- Stärkungsmittel
- Kosten durch
behindertengerechten Umbau der Wohnung.
ee) Sonstige
materielle Ansprüche
Schließlich hat
der Geschädigte noch Anspruch auf Zahlung sämtlicher ihm weiter durch den Vorfall
entstandenen Zusatzkosten.
Hierzu gehören
z.B. Heilbehandlungskosten für Nachbehandlungen, Kuren, Rehabilitationsmaßnahmen,
Medikamentenzuzahlungen, Mehrkosten für Telefonate, Zusatzverpflegungskosten,
Fahrtkosten zu Krankenhäusern, Ärzten, Hilfsmittel, Brillen, etc.
Auch Besuchskosten
naher Angehöriger fallen hierunter, soweit sie sich in einem angemessenen Rahmen
halten und nach ärztlicher Auffassung für die Heilung zweckmäßig sind. Diese
Ansprüche stehen nicht den Besuchern, sondern dem Verletzten selbst zu. Es sind
umfaßt: Fahrtkosten, Übernachtungskosten, Verpflegungsmehraufwand, Verdienstausfall
und Kosten für die Beaufsichtigung eines Kindes.
c) Ansprüche
im Todesfalle
Im Todesfalle bestehen
einige Besonderheiten. So sind auch die Beerdigungskosten als Schadensposition
in Ansatz zu bringen. Daneben haben die unterhaltsberechtigten Angehörigen Anspruch
auf Ersatz des mittelbaren Schadens, der ihnen durch Entzug des Unterhaltsrechts
entsteht. Der gesetzliche Unterhalt umfaßt die wirtschaftliche Unterstützung
(Barunterhalt) und die persönliche Betreuung (Haushaltsführung, Erziehung) des
Unterhaltsberechtigten.
Schadensersatz
ist längstens für die „mutmaßliche Dauer“ des Lebens des Unterhaltsverpflichteten
zu leisten, wobei die Hinterbliebenen zwischen einer Rente und bei wichtigem
Grund einer Kapitalzahlung wählen können. Keinen Unterhaltsanspruch haben im
Gegensatz zu Ehegatten untereinander und Verwandten in gerader Linie, Partner
einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft und Stiefkinder gegen den Ehepartner
des leiblichen Elternteils.
Beim Tode des Alleinverdieners
stellt sich die Schadensberechnung in der Praxis und Rechtsprechung wie folgt
dar: Vom Nettoeinkommen des Getöteten werden die sog. fixen Kosten der Haushaltsführung
(z.B. Miete, Strom, Heizung, Massenmedien, einzelne Versicherungen u.a.m.) in
Abzug gebracht. Vom verbleibenden Betrag werden die Unterhaltsquoten der Hinterbliebenen
ermittelt. Sind dies beispielsweise die Ehefrau und zwei Kinder, dann betragen
die Quoten für die Witwe 35 % und für die Kinder jeweils 15 %. Den jeweiligen
Unterhaltsquoten sind wiederum die fixen Kosten der Haushaltsführung hinzuzurechnen
bevor etwaige Hinterbliebenenrenten abgezogen werden. Beim Tode des Haushaltsführenden
oder wenn beide Ehegatten erwerbstätig waren, sind der Berechnung des Schadensersatzes
wegen entgangenen Unterhalts teilweise abweichende Faktoren zugrunde zu legen.
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